Äthiopien

"Zur Wiege der Menschheit in Lucys Heimat"

Äthiopien ist sicher kein Land, das man als Urlaubsland wählt, um sich mal nur zu erholen. Das kann man auch, aber es wäre mehr als schade die Zeit so zu verplempern. Dieses Land bietet so viel und ist kulturell so unterschiedlich und hoch interessant, dass man die kleinen Strapazen, die man manchmal auf sich nehmen muss, gerne beiseite schiebt und in Kauf nimmt.

Im Norden des Landes kann man den Spuren König Salomons und der Königin von Saba folgen und sich versuchen in die Frühzeit des Christentums hineinzuversetzen. Die Felsenkirchen waren für mich etwas Einzigartiges. Ich habe große Hochachtung vor der Baukunst der damaligen Äthiopier.

Im Süden tritt die bauliche Kultur in den Hintergrund; dafür kann man hier erleben, wie die verschiedenen Volksstämme in ihrer eigenen Welt leben. Viele Volksstämme bewahren ihre Kultur und ihre Traditionen ohne sich in der Neuzeit zu verlieren. Die Mursi, das ist die Volksgruppe mit den Tellerlippenfrauen, die Konsa, die Oromo, die Arbore oder die Dorze, um nur einige zu nennen, leben sehr unterschiedlich ihre Kultur aus. Aber eines haben alle Äthiopier gemeinsam. Sie sind ein sehr freundliches Volk und ihre Kinder haben einen Charme, der europäische „Vernunftmenschen“ emotional zum Schmelzen bringt. Es erging nicht nur mir so, wenn mich ein kleines Mädchen oder ein kleiner Junge mit seinen tiefschwarzen Augen angeschaut hat und meine Hand ergriff, um mit mir ein Stück des Weges zu gehen, dass ich leicht wässrige Augen bekam und mich an dieser Situation unheimlich erfreute. Auch meine Mitreisenden konnten sich diesem Kinderlachen nicht entziehen. Die Menschen sind sehr arm, aber sie scheinen glücklich zu sein.

Äthiopien bietet aber nicht nur Kultur und Volksstämme, die noch sehr ursprünglich leben. Auch die endemische Tierwelt ist mehr als interessant. Im hochgelegenen Semien-Nationalpark kann man sich mitten in einer Herde Dscheladas bewegen, ohne dass man diese Blutbrustpaviane im mindesten beim Fressen ihrer spärlichen Mahlzeit, bestehend aus Gräsern und Wurzeln, stört. Ein unvergessliches Erlebnis. Die vielfältige, afrikanische Vogelwelt versetzt jeden Besucher in Erstaunen; wenn z. B. ein Marabu stelzend dahin schreitet und sich dann elegant in die Lüfte erhebt. Majestätisch gleitende Geier oder Seeadler halten auf Bäumen Ausschau nach Beute. Pelikane schweben dicht über die Wasseroberfläche und setzen dann gekonnt auf, das jedem Piloten zeigt, wie man eine Landung richtig macht. Aber auch der abessinische Steinbock oder der selten gewordene äthiopische Wolf streifen durch diese grandiose Landschaft. Im Süden des Landes sind Nilpferde und Nilkrokodile im Chamo-See garantiert ein weiteres Highlight, das einen gewissen Nervenkitzel erzeugt, wenn man sehr nahe an diese Riesen herankommt. Sven Nicolas als Reiseleiter war ein Glücksfall. Er hat uns mit enormen Detailwissen, sprachlichen Kenntnissen und vor allem viel Herzblut dieses wunderbare Land näher gebracht, ohne oberlehrerhaft zu wirken. Man kann sich keinen besseren Reiseleiter wünschen. Äthiopien hat mich in seinen Bann gezogen. Kultur, Tierwelt und vor allem die Menschen waren für mich ein Erlebnis.

März 2014, J. R.